Es ist PR, kein Journalismus!
von Marcus Fischer-Dieskau
In seinem Gastbeitrag für den KOMPAKTMEDIEN-Blog fragt Paul-Josef Raue: Sind PR-Leute Journalisten? Gegenfrage: Ist Charley‘s Tante eine Frau? Nicht wirklich, oder?
Die Freiheit, zu entscheiden, macht den Unterschied
PR und Journalismus sind sich auf den ersten Blick ähnlich. Wir PR-Leute – und damit meine ich an dieser Stelle PR-Redakteure, keine Pressesprecher oder Berater – recherchieren sorgfältig, schreiben gut und verständlich. Das jedenfalls, sollte der Anspruch sein. Wir unterscheiden journalistische Darstellungsformen und setzen sie an passender Stelle ein. Die Redaktion einer PR-Agentur arbeitet im Grunde wie die Redaktion eines Magazins oder einer Zeitung. Macht uns das zu Journalisten?
Wenn ich an Journalismus denke, dann an unabhängigen Journalismus. An Reporter, die aufschreiben, was sie sehen. An Redakteure, die ihre Fragen nicht schon vorab ihren Interviewpartnern zur Prüfung vorlegen. Die Zitate nicht selber schreiben, sondern einholen. Die selbst entscheiden, welche Quelle ihnen glaubwürdig erscheint. Deren Texte von erfahrenen Journalisten redigiert werden, nicht in den Abteilungen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, deren Mitarbeiter zum Teil extrem vorsichtig und zuallererst den Interessen des Unternehmens und ihren Vorgesetzten verpflichtet sind.
Den Auftraggeber im Hinterkopf
PR-Leute machen Auftragskommunikation. Wohl dem Kollegen, der das schnell kapiert. Auftraggeber sind nicht die Leser einer Zeitung oder eines Magazin, die schlimmstenfalls einen bösen Leserbrief schreiben oder ihr Abonnement kündigen. Unsere Auftraggeber und maßgebliche Instanz sind die unterschiedlichsten Ansprechpartner in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das können Führungskräfte sein, deren Sekretärinnen oder Ingenieure aus den Entwicklungsabteilungen. Wir verbreiten keine Fake-News, aber interpretieren die Wahrheit in deren Sinne. Unsere Kunden kaufen bei uns eine bestimmte Leistung ein und honorieren keine Überraschungen. Überhaupt: Leser und Kunden – das ist ein Unterschied.
Wenn PR-Leute einen Text schreiben – ein Grußwort des Vorstands, einen Broschürentext, Inhalte für Webseiten oder Mitarbeiter-Magazine –, denken sie dabei nicht an das „Handbuch des Journalismus“, sondern an Botschaften, die korrekte Schreibweise von Eigennamen und stets auch an die Befindlichkeiten ihrer Kunden. Journalisten dürfen hier anecken, PR-Leute dürfen das nicht. Sie sind gut, wenn sie ihren Auftraggebern das Leben leicht machen.

Kommunikation als Dienstleistung
In der PR verkaufen wir eine Dienstleistung. Wir starten vielleicht kreativ und verwegen, aber geben schnell nach, wenn wir auf Bedenken stoßen. Manchmal versuchen wir, einen Kunden vor sich selbst zu schützen. Wir tun das beispielsweise, wenn der Ingenieur bei der Abnahme einen auch für Laien formulierten Text mit Fachchinesisch verunstaltet. Oder wir erklären, dass es aussichtslos ist, einen Chefredakteur mit Telefonterror davon zu überzeugen, kalten Kaffee auf seine Titelseite zu drucken. Dann können PR-Leute beraten, auf stur schalten und verweigern können wir uns nicht.
Aus meiner Sicht unterschätzt Paul-Josef Raue die Erwartungen des Kunden als Auftraggeber und die Rolle des PR-Redakteurs als Dienstleister. Texte aus PR-Redaktionen kommen zwar im Gewand des Journalismus daher. Wenn sie gut gemacht sind, sehen sie ihm zum Verwechseln ähnlich. Journalismus ist das, was wir machen, trotzdem nicht. Da helfen kein Pudern und kein Schminken. Genau so wenig wie bei Charley’s Tante.
Marcus Fischer-Dieskau leitet bei KOMPAKTMEDIEN das Team für Content & PR. Er arbeitet seit 2001 ausschließlich in PR-Redaktionen und schreibt aus Erfahrung.