Digital unterwegs

von Marcus Fischer-Dieskau

22. März 2017

Die schlechte Nachricht für Agenturen vorweg: Die großen Unternehmen machen heute vieles selbst, was früher Dienstleister erledigten. Das gilt jedenfalls für die personell gut ausgestatteten Kommunikationsabteilungen der Rewe Group, der Deutschen Post und der Deutschen Telekom, die den Tour-Teilnehmern Einblicke in ihre digitale Unternehmenskommunikation gewährten.

Stopp 1: Die Rewe Group

Martin Brüning, seit 2008 Leiter der Rewe-Unternehmenskommunikation, modernisierte nicht nur die Unternehmens-Webseite sondern verlagerte auch das Magazin für die rund 330.000 Mitarbeiter ins Netz. Dort ist es nun für jedermann einsehbar, egal ob Mitarbeiter oder nicht: „Die Trennung von interner und externer Kommunikation ist obsolet“, sagt Brüning zur Begründung. Informationen, die innerhalb des Unternehmens bereits kursierten, würden im Zeitalter digitaler Medien ohnehin und nahezu zeitgleich den Weg in die Öffentlichkeit finden. Die Unternehmenskommunikation sei nicht zuletzt deshalb der Wahrheit verpflichtet. Wenn man glaubwürdig bleiben wolle, könne man den Mitarbeitern nichts anderes erzählen als der Öffentlichkeit – und umgekehrt.

 Zu den Kanälen, die eine digitale Unternehmenskommunikation mit Inhalten füllen muss, gehören Facebook, Twitter, Youtube und Instagram. Natürlich ist Rewe hier präsent. Auch der Newsletter ist Pflicht. Ungewöhnlich ist jedoch, dass unter dem Dach von Rewe digital 2014 eine eigene und technisch voll ausgestattete Unit für Bewegtbild geschaffen wurde. Rund 140 Filme für die diversen Kanäle entstehen hier pro Jahr. Hinzu kommen Übertragungen via Periscope – das heißt live.

Eine Digitalisierung der Unternehmenskommunikation ohne Quantität und Qualität beim Bewegtbild ist für Rewe nicht vorstellbar. Ein Imagefilm auf der Unternehmensseite reicht schon lange nicht mehr – gefragt sind die Ideen und technischen Möglichkeiten von Profis. Bei einer wachsenden Zahl von Inhalten, die in immer kürzerer Taktung die Zielgruppen erreichen soll, leuchtet ein: Damit kann man keine externen Dienstleister beauftragen. Schade eigentlich.

Stopp 2: Die Deutsche Telekom

Auf die eigenen Mitarbeiter setzt auch die Deutsche Telekom. Hier wurde für die Befüllung der diversen Kanäle gleich eine Fabrik errichtet: die Content Factory. Dahinter verbergen sich ein Großraumbüro, ein u-förmiger Tisch mit Barhockern und drei Flachbildschirme, auf denen die Redakteure in Echtzeit ihre Produktion verfolgen können. „Kommunikation in Echtzeit, 360-Grad-Medienproduktion über alle Kanäle und der digitale Dialog stehen für uns besonders im Fokus“, beschreibt das Kommunikationschef Philipp Schindera auf der Unternehmenswebseite.

In der Praxis sieht es dann so aus: Am Tisch kommen die Redakteure zu Morgen- und Mittagsrunden zusammen und sprechen über Themen, Zuständigkeiten und Kanäle. Wer weiß, wie eine klassische Zeitungs- oder Nachrichtenredaktionen organisiert ist, ist nicht sonderlich überrascht. Funktioniert offenbar auch noch im digitalen Zeitalter. Immerhin: Langwierige Abnahmeschleifen für Online-Content sind passé. Schindera möchte seine Kollegen vielmehr „zur Kommunikation befähigen“, ohne jeden Tweet einzeln auf die Goldwaage legen zu müssen. Mit einer Ausnahme jedoch: Ansprechpartner für die klassischen Medien bleiben die Profis.

Stopp 3: Die Deutsche Post

„Die drinnen erzählen den da draußen, wie toll es ist, was die da drinnen machen.“ So beschreibt Prof. Dr. Christof Ehrhart, Kommunikationschef bei der Deutschen Post, die ganz alte Schule der Unternehmenskommunikation. Damit ist es nun auch bei der Post vorbei. Dem Megatrend Digitalisierung kann sich die ehemalige Bundesbehörde und das heute größte Logistik- und Postunternehmen der Welt ebenso wenig verschließen wie der Globalisierung und der Nachhaltigkeit.

Ehrhart sieht die Kommunikation in einer Zeit angekommen, die er (zwinker, zwinker) die Postmoderne nennt. In der Postmoderne ist die Schnittmenge zwischen dem, was an Kommunikation zwischen einem Unternehmen und der Gesellschaft stattfindet, größer als je zuvor. Kommuniziert wird von allen und zu jeder Zeit. Wie diese digitale Unternehmenskommunikation gemanagt wird, erinnert jedoch ebenfalls an eine Redaktion aus dem prädigitalen Zeitalter. Die Kommunikationsprofis des Unternehmens werten die morgendliche Nachrichtenlage aus, diskutieren, produzieren und geben Inhalte für die unterschiedlichen Kanäle frei.

Digitale Unternehmenskommunikation auf der Höhe der Zeit

So richtig auf der Höhe der Zeit sind die Inhalte und deren Präsentation dann allerdings nicht. Interessante Formate und spannende Geschichten – wenn vorhanden, dann gut versteckt. Exemplarisch: der Social-Media-Bereich  auf dpdhl.com. Lust macht das nicht. In Auswahl, Duktus und Darstellung ist die Rewe Group hier deutlich weiter. Es reicht eben nicht, vor Jahren einmal Social-Media-Profile erstellt zu haben. Man muss sie auch mit zeitgemäßen Inhalten befüllen. Relaunch dringend empfohlen. Eine Agentur könnte hierbei sicher helfen.

Marcus Fischer-Dieskau leitet bei KOMPAKTMEDIEN das Team Content & PR. Er achtete beim Schreiben dieses Textes sehr darauf, keine vertraulichen Informationen der gastgebenden Unternehmen zu verraten. So war es vereinbart.