PR für Genossenschaften

von Manuel Röhrich

6. Dezember 2016

Ich war fünf Jahre alt, als meine Eltern in eine Genossenschaftswohnung zogen. Es herrschte Wohnungsmangel in Nürnberg – wir suchten drei bezahlbare Zimmer. Wir strandeten im kleinbürgerlichen Idyll inmitten der Arbeiterstadt. Einem Quartier mit dem typischen Charme deutscher Nachkriegsarchitektur. So spießig die auf Ordnung bedachte Siedlung doch irgendwie war: Ich hatte schon als Junge das Gefühl, sie sorgt sich um ihre Mieter. Noch heute kehre ich gerne dahin zurück und grüß die alten Nachbarn. Gentrifizierung, wie ich sie heute in meinem Berliner Kiez erlebe, kennen sie nicht.

Das Genossenschaftsmodell als Marke

Ich glaube, vielen Deutschen geht es so wie mir. Sie verbinden mit Genossenschaften eine Art soziales Unternehmertum. Auf dieser Reputation kann PR für Genossenschaften aufbauen. Doch sollte sie den Genossenschaften noch mehr gesellschaftliche Tragweite verleihen. So populär wie heute die Soziale Marktwirtschaft ist, könnte auch die Genossenschaftsidee einmal werden. Das Genossenschaftsmodell kann eine echte Marke sein: als Wirtschaftsmodell der Zukunft.

Die Zeit für ein Revival der Genossenschaften scheint reif. Der Sound der New Economy hat seinen Beat verloren. Seit der Finanzkrise 2008 herrscht in Deutschland eine diffuse Kapitalismuskritik. Die Menschen haben das Gefühl, dass in der Wirtschaft nur noch die Rendite zählt. Ob Privatbanken, die sich verspekulierten oder Manager, die trotz Pleiten ihre Boni kassierten. Ob Immobilieninvestoren, die den Mietpreis nach oben treiben oder Konzerne, die Steuern strategisch sparen: Die wirtschaftlichen Eliten haben Vertrauenswürdigkeit verloren.

Die Debatte über unser Wirtschaftsmodell rüttelt auch an den Grundfesten der Marktwirtschaft. Die Gesellschaft sehnt sich nach einer Wirtschaftsordnung, die sich wieder in den Dienst des Menschen stellt. So oft wir aber diese Platitude schon im Feuilleton gelesen haben – eine zündende Idee hatten unsere Wirtschaftstheoretiker bislang nicht. Hier kann PR für Genossenschaften ansetzen. Die Krise des Kapitalismus sucht nach sozialer Innovation.

Genossenschaften als Ingenieur einer neuen sozialen Wirtschaft

Genossenschaften sind eine weltweit einzigartige Unternehmensform. Hier sind Kunden zugleich Mitglieder und legen Kapital im Unternehmen an. Jedes Mitglied hat das gleiche Stimmrecht. Gemeinschaftlich lenken sie die Geschicke des Unternehmens. Eine Genossenschaft ist damit nicht der Rendite weniger Investoren verpflichtet – nur das Wohl der Mitglieder zählt. Welcher Spekulant tut sich dieses Eldorado emanzipierter Verbraucher an? Genossenschaften sind die demokratischste und nachhaltigste Unternehmensform.

Diesen Markenkern sollten Genossenschaften in ihrer PR noch offensiver vertreten. Sie könnten sich als Ingenieur einer neuen sozialen Marktwirtschaft positionieren. So stark die innovativen Produkte und Dienstleistungen ihrer Unternehmen auch sind, sie sollten ihre Philosophie noch viel stärker ins Schaufenster stellen. Um sich als „Marke“ ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, muss sich die Genossenschafts-Szene auch in den öffentlichen Diskurs einbringen. Wenn abends bei Anne Will etwa über bezahlbaren Wohnraum, Finanzwirtschaft oder Energiewende diskutiert wird, sollte einer ihrer Meinungsführer auf der Bühne sein.

Derzeit vertreten viele renommierte Verbände die Genossenschafts-Szene

Das macht Sinn und zahlt auf die unterschiedlichen Branchen ein. Was einer erfolgreichen PR für Genossenschaften aber sicher nicht schaden würde, wäre ein gemeinsamer, starker Markenauftritt. Das Handwerk setzt hier seit einigen Jahren die Bench-Mark – mit einer modernen, sympathischen Image-Kampagne. Genossenschaften haben noch mehr zu bieten als eine starke Zunft. Was könnten sie alles in den Köpfen bewegen, würden sie ihre Idee mit einer gemeinsamen Kampagne emotional thematisieren.

Die Zukunft jedenfalls deutet auf ein Revival der alten Genossenschaften hin. Ein Wertewandel hat begonnen – Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Kauffaktor. Insbesondere junge, urbane Milieus setzen hier neue Trends. Sie nennen sich „Prosumer“ und wollen mitreden, wenn es etwa um die Herstellung ihrer Nahrungsmittel oder ihre Energieversorgung geht. Genossenschaften sollten diese sympathischen Trendsetter als Zielgruppe identifizieren. Es könnte sogar die Chance sein, von einer Unternehmensform zu einer Art Lebensgefühl zu avancieren.

Manuel Röhrich ist Konzeptioner bei KOMPAKTMEDIEN. Seit Ende letzten Jahres entwickelt er die Kampagne für das Raiffeisen-Jahr 2018 mit. Das Jubiläumsjahr soll an den Vordenker der Genossenschaftsidee erinnern und Genossenschaften als Zukunftsmodell thematisieren.